Marlene schrieb on 18.07.2009 um 15:22:22:
Stimmt, konnte mit "Borat" anfangs überhaupt nichts anfangen.

Ich weiß nicht, ich bin mit der Einstellung in "Brüno" gegangen, dass sowieso viel aufgesetzt und derb sein wird, dass man sich ständig zu Boden fremdschämen muss. Und vielleicht haben die zwei, drei Bier vorher auch mitgeholfen.

Ja, da geb ich dir Recht bezüglich NC17 und Jackson.
... ursprünglich hatte Brüno in der Ali G - Show drei elementare Charakteristika:
1. Für ihn erscheint seine eigene Homosexualität genau so selbstverständlich und grundlegend normal, wie die Heterosexualität als Normalität im generellen Gesellschaftsempfinden verankert ist... daher kommt für ihn auch nur eine Antwort in Frage, wenn ihm im tiefsten Süden der U.S.A entgegnet wird ´I am not gay!´: Are you bi then?
2. Für ihn erscheint Mode und Fashion tatsächlich als das absolute Zentrum des Denkens und der Werterfahrung. Und zwar allen Denkens. Daher sind für ihn absurde Analogien zwischen Schnurrbärten und dem Genozid, zwischen Shopping und Gandhi elementar und konsequent...
3. In ihm erscheint der Antisemitismus subkutan allgegenwärtig. Anders als noch in Borat muss dieser nicht mehr klar benannt werden. Er ist. Immer. Überall. In ihm.
In der Ali G - Show entwickeln sich innerhalb dieser Grundprämissen erstaunliche Momente der Tiefe, der Entblößung, der Banalität der Wirklichkeit. Im Film ist er zu einem Amercan Pie Schwulen verkommen...
Kurze Momente zeugen aber dennoch von dem Potential dieser Figur:
Was für ein Film, wenn man den Brüno der Ali G - Show tatsächlich umfassender in den Konfliktbereich der Hamas und des ultraorthodoxen jüdischen Umfelds gebracht hätte... eine Figur, die so vollständig deren atavistischen Auslegungen des kulturellen Lebens entgegen steht und diese eigene Position so stark verinnerlicht hat, dass ihm selbst ein möglicher Konfliktstoff letztlich gar nicht in den eigenen Sinn kommen kann...
Was für ein Film, wenn man den Brüno der Ali G - Show tatsächlich in reale Situationen versetzt hätte; damit meine ich: Wieso muss man in der Talkshow - Sequenz diese unfassbar dummen Photomontagen zeigen ? Wieso Brüno nicht tatsächlich als Alleinerziehenden einführen, dann enthüllen, dass er eigentlich homosexuell ist, dann, dass er ein schwarzes Kind aus Afrika adoptiert hat. Und das ernsthaft und aufrichtig. Dann hätte die Reaktion des Publikums auch tatsächlich einen Wert...
Im allgemeinen wären aber sicher die entscheidenden Orte für so einen Film tatsächlich Israel, Irak, Iran gewesen; so wie für Borat Amerika. Natürlich dann ein wesentlich gefährlicher Weg, ein wesentlich steinigerer... aber das Ergebnis hätte sich mit Borat messen, ja vielleicht dessen Wirkung sogar noch übertreffen können...
So kommt man diesmal tatsächlich in den wenigen realen Szenen nicht umhin zu bemerken, dass es Cohen diesmal wohl tatsächlich nur darum ging, entsprechend billige Pointen auf Kosten seiner Begegnungen zu gewinnen; dabei steht nicht Kontakt oder Kommunikation im Zentrum, sondern Überrumpelung... eine rechte Schrecklichkeit...