PJ schrieb on 05.03.2016 um 11:29:25:
nun hab ich hateful eight gestern gesehen und kann die kritik ehrlich gesagt nicht teilen. ich fand den weder langatmig noch abstoßend gewalttätig (tarantino splatter eben) und fühlte mich sehr gut unterhalten. dank gewohnt spritzig-amüsanter dialoge kam keinerlei langeweile auf und auch mit dem kammerspielartigen setting hatte ich keine probleme. die story gewinnt vielleicht keine originalitätspreise und tarantino erfindet sich hier natürlich auch nicht neu. für mich eine höchst solide 8/10, würde ich im vorderen drittel seiner filme einreihen.
die zweifelhafte ehre, tarantinos schlechtestes output zu verkörpern, gebührt immer noch dem blutfontänen überladenem kill bill doublefeature...
Um dir meine Kritikpunkte vielleicht etwas transparenter werden zu lassen:
-SPOILER-
Stichpunkt abstoßende Gewaltdarstellungen: In The Hateful Eight wird aus meiner Sicht eine Form der Gewaltdarstellung gewählt, die vollkommen untypisch für Tarantino ist: Torture-Porn. Das erinnert nun häufiger eher an Eli Roth Filme, als an Tarantinos ästhetisch überhöhten Genrestil seiner bisherigen Filme. Besonders schlimm empfinde ich die Gewaltdarstellungen gegenüber Jennifer Jason Leighs ´Daisy´. Es wird ihr MEHRFACH frontal ins Gesicht geschlagen! Vollkommen ohne eine ästhetisch überhöhte Konnotation oder auch nur eine narrative Notwendigkeit. Es ist eine extreme Form der Gewalt gegen Frauen, die so vollkommen untypisch für Tarantino ist. Noch schlimmer ist nur noch das Ende, wenn ein weißer und ein schwarzer Mann endlich eine Art Aussöhnung der Rassen zelebrieren, indem sie eine weiße Frau (Daisy) gemeinsam strangulieren. Und warum ? Weil Ihnen der Tod durch eine Gewehrkugel nicht schmerzhaft genug erscheint! Das ist für mich schlicht abstoßend und inhaltlich äußerst fragwürdig, entschuldige...
Stichpunkt Langatmigkeit: Der Film besteht im Kern aus nur wenigen Szenen und überhaupt nur zwei Locations. Die Story ist erschreckend trivial und der Plot nahezu mit dieser Story identisch. Das einzige Element, das überhaupt von einer Echtzeitdarstellung abweicht, ist der Flashback am Anfang des zweiten Aktes, kurz nach der Intermission. Und dieser Flashback zeigt, wie schlicht der ganze Film eigentlich ist, weil dieser Flashback vollkommen unmotiviert ausfällt! Wenn Tarantino die ganze Geschichte aber linear erzählt hätte, wäre sie vollkommen spannungsarm ausgefallen. Und das ist schlechtes Storytelling! Wenn man Spannung nur mittels künstlicher Ellipsen herstellen kann, dann hat man einfach keine interessante Grunddisposition gefunden. Und die ersten 60 Minuten sind tödlich langweilig! Ständig trifft die Postkutsche mitten im Nichts ZUFÄLLIG auf neue Nebenfiguren, die aufgelesen werden und sich dann umständlich und wortreich gegenseitig vorstellen! Das hat für mich rein gar nichts mehr von einem postmodernen, anspielungsreichen und wortmächtigen Dialogfeuerwerk, wie es tarantinotypisch gewesen wäre. Das hier ist unbeholfene Redundanz in absoluter Reinform.
Stichpunkt Schnitt: Der Film ist nicht gut geschnitten; man merkt deutlich, dass Sally Menke schrecklich fehlt. Sie hat sonst immer eine innere Ordnung und Kohärenz geschaffen, die diesem Film vollkommen fehlt. Der Film besitzt keinerlei Vorstellung oder Konzeption, wie er aussehen möchte und was seinen eigentlichen Inhalt darstellt. Er ist erschreckend entleert, auf allen Ebenen. Und die wenigen ästhetischen Besonderheiten, die der Film aufweist, sind unnötig und unbegründet. Tarantinos Voice-Over nach der Intermission ? Wozu, Warum, Wieso ? Oder hat er einfach zu diesem Zeitpunkt gemerkt, dass seine ganze Grunddisposition keinerlei Sinn ergibt und wollte dies durch seinen Kommentar in irgendeiner Weise ironisch brechen ? Es ergibt nämlich einfach keinen Sinn, warum das im Untergeschoss verborgene brüderliche Bandenmitglied warten sollte, bis die Hälfte seiner Gang von Samuel L. Jackson abgeschlachtet wird (und zwar wortreich und langatmig monologisierend, mit endloser Zeit für einen versteckten Verschwörer einzugreifen). Warum wartet er solange ? Weil es narrativ der Moment ist, wo ein Eingreifen besonders unerwartet ist! Das ist der einzige Grund. Es ist aber narrativ vollkommen unmotiviert! Das ist schrecklich schlechtes und nachlässiges Storytelling, eines Tarantino vollkommen untypisch und unwürdig. Und der Film weist einige solcher Stellen auf.
Es ist einfach kein guter Film, leider und ich könnte noch diverse weitere Punkte ins Feld führen, würde nicht gerade Bayern vs. Dortmund auf SKY beginnen...